Sie fliehen auf die Straße: vor ihrem Zuhause, vor dem Hunger und der Gewalt in der Familie. Armut und Gewalt zwingen die Kinder immer wieder dazu, ihr Elternhaus zu verlassen. Und die Straße ist für sie der einzige Ausweg. Drogen helfen ihnen dabei, ihre Situation zu ertragen. Das Leben auf der Straße zerstört ihren Körper und ihre Persönlichkeit.
Über 30.000 Kinder und Jugendliche leben in Brasilien auf der Straße und haben meist jeden Kontakt zur Familie abgebrochen
In Fortaleza und Recife sind es insgesamt knapp 1000 Kinder, die auf der Straße leben. Momentan arbeiten dort vier Erzieher des OPN. Sie sind für die Kinder da, reden und spielen mit ihnen. Geburtstage werden gefeiert und erste Hilfe bei Verletzungen geleistet. Erstmals bekommen die Straßenkinder das Gefühl, etwas wert zu sein. Auf diesem Wege wird das Vertrauen der Kinder gewonnen und sie werden darauf vorbereitet, die Straße zu verlassen.
Mit fünf Jahren begann ich auf der Straße zu betteln. Das Geld gab ich meiner Mutter. So konnte sie Milch für meinen kleinen Bruder kaufen. Wenn etwas übrig blieb, bekam ich etwas zu essen. Mein Stiefvater kümmerte sich nicht um uns. Er schlug meine Mutter. Ich hasste sie dafür, weil sie sich nicht wehrte. Ich lief weg, auf die Straße. Ich klaute und nahm Drogen. Immer wenn die Polizei mich fand, schlugen sie mich. Sie schlagen alle Straßenkinder.
Als Francisco ankam, fühlte er sich unwohl. In seinen Gedanken lebte er noch auf der Straße. Er dachte an ehemalige Freunde und an die Drogen. Francisco zog zusammen mit Gleichaltrigen in ein Haus unseres Nazareno-Dorfes. Sie alle verband eine ähnliche Vorgeschichte. Freundschaften entstanden. Er lernte zu lesen und es war das Größte für ihn. Zum ersten Mal fühlte er, dass er etwas kann. Dass er nicht der dumme Junge von der Straße ist. Inzwischen ist Francisco zwei Jahre hier. Er hat wieder Freude am Leben gefunden und träumt davon zu studieren.
Das Verhältnis der Kinder zu ihrer Familie ist von starken Widersprüchen geprägt ? ihre Gefühle schwanken zwischen großer Sehnsucht und Liebe bis hin zu schrecklichen Erinnerungen an das Elend und die Gewalt zu Hause. Deshalb dauerte es einige Monate, bis Francisco uns eines Tages über seine Familie erzählte. Er wünschte sich, seine Mutter an Weihnachten zu besuchen. Wenn ein Kind diesen Wunsch hat, unterstützen wir ihn. Ein Erzieher begleitete Francisco. Kurz vor seinem Zuhause überkam ihn die alte Angst. Wie würde seine Mutter reagieren? Schließlich ist er abgehauen und ließ sie in Ungewissheit zurück. Er nahm aber all seinen Mut zusammen und besuchte sie. Seine Mutter empfing ihn liebevoll. Beide waren überwältigt und weinten. Stolz zeigte Francisco ihr seine Hausaufgaben. Seine Mutter war glücklich zu sehen, dass es ihrem Jungen jetzt viel besser ging als bei ihr oder auf der Straße.